Überlieferte Anekdote

ÜBERLIEFERTE ANEKDOTE

 Am Rande eines Fußballfeldes – vielleicht sogar im Kreisgebiet – notiert
 Früher – das waren noch Torschüsse !

 Wir kennen sie alle, die „großen Strategen“ an den Seitenlinien der Fußballfelder.
 Diese „Kanonen am Rande“ wissen und können alles besser. Sie haben es ja
 gewußt, wenn ihre Mannschaft gewinnt. Wehe aber, wenn sie verliert! Auch
 dann waren sie sich darüber vorher im klaren. Sie hätten die Mittel gekannt, mit
 denen man das Spiel gewonnen hätte. Aber man hat ja nicht auf sie gehört!
 Personen unseres am Sportplatzrand notierten Gespräches sind Fritz und Willi
 (sie können aber auch Karl oder Anton oder Bernhard heißen, oder gar
 Anneliese) Ansonsten muß noch bemerkt werden: Es steht 0:2 gegen die
 Mannschaft von Willi und Fritz. Es sind noch 15 Minuten zu spielen.

 Fritz: Jetzt haben se verloren, 2:0, das holen se nich wieder auf! Aber ich hab´s
 gewußt: mit der Mannschaft war kein Blumentopp zu gewinnen!
 Willi: Diese Niete von Rechtsaußen!

 Fritz: Das ist eine Flasche! Wir früher? Weiste noch? Das waren noch
 Torschüsse, Kanonenschüsse waren das, daß die Keeper mit ins Netz flogen!

 Willi: Wolln wer gehn?

 Fritz: Moment mal. Kuck dir bloß den Mittelstürmer noch an: diese Pflaume! Jetzt
 hat er mal den Ball, und was macht er damit? Der Heini fummelt natürlich, statt zu
 flanken, und jetzt flankt er, wo er hätte fummeln sollen. Ist das ein
 Oberstaatstrottel!

 Willi: Wie der Kerl den Ball stoppt! Und jetzt schießt er auch noch aufs Tor! Was?
 Da! Jaaa!
 Beide: Tooor, Toor! (Sie schlagen vor Begeisterung dem Vordermann den Hut
 vom Kopf.) – Noch zehn Minuten sind zu spielen. Es steht 1:2 gegen Fritz und Willi.

 Fritz: Das war klar´n Glückstreffer, wie ne unser Oma auch macht. Weißte noch
 damals: meine Pille? Von vierzig Meter auf den Laden geballert, daß der
 Torpfosten krachte?!

 Willi: Und mein Volleytorschuuß aus 60 Meter? Den hat überhaupt keiner gesehn!
 (Anmerkung: Willi spricht die Wahrheit. Den Torschuß hat nie jemand gesehen. Es
 hat ihn nicht gegeben.)

 Fritz: Kuck dir das an! Unsere wollen überhaupt nich gewinnen: Halten den
 Mittelläufer in der Deckung! Wir früher? Immer men ran un gestürmt un hinein,
 Onkel Otto!

 Willi (summt): Lang, lang ist´s her . . .

 Fritz: Dieser unmögliche Linksaußen!

 Willi: Hab ich´s nich vorher schon gesagt: Dat is ne Primel, der kann nix! Aber
 was weiß der Spielausschuß von Taktik un Strategie. Uns sollten se mal ran
 lassen!

 Fritz: Warum flankt dieses Tränentier von Linksaußen denn nich?! Jetzt natürlich,
 wo er angegriffen wird, gibt er ab. Mal en bißken gedribbelt!

 Willi: Hat der nao nie wat von gehört!

 Fritz: Un jetzt gibt der Mittelstürmer nao ab.

 Willi: Ja, zum Halblinken.

 Fritz: Paß auf, der schießt glatt von 20 Metern . . . (Nichts mehr zu verstehen.
 Geschrei, der Ball zappelt im Netz.)

 Fritz und Willi (liegen sich in den Armen) : Tooor, Tooor . . .

 Noch zwei Minuten sind zu spielen. Es steht 2:2.

 Fritz: Hab ich´s nich schon vorher gesagt: Der Halblinke, der kann wat. Alte
 Fußballschule wie in unsern Zeiten!

 Willi: Kuck dir den Rechtsaußen an, diese lahme Ente!

 Fritz: Da müßte ich stehen!

 Willi: Oder ich!

 Fritz: Das ist doch kein Flankenlauf. Ich früher!

 Willi: Wenn ich da rumkurvte, dann sahste bloß nao glühende Hacken!

 Fritz: Jetzt schießt der Heini aufs Tor, wo er hätte flanken . . . (Mehr ist nicht zu
 verstehen. Der Ball senkt sich ins Netz. Fritz und Willis Mannschaft hat 3:2
 gewonnen. Der Schiedsrichter pfeift das Spiel ab.)

 Allenthalben Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die beiden rufen beim Verlassen des
 Platzes einem Mitglied des Spielausschusses zu: Habt ihr richtig gemacht mit der
 Mannschaftsaufstellung. Das Spiel konnten unsere gar nicht verlieren, haben wir
 schon vor zehn Minuten, als es noch 0:2 stand, gesagt. Schließlich sind wir ja
 alte Hasen!

 Um Mitternacht im Vereinslokal an der Theke:

 Willi: Wie unsere Jungs das wieder, hick, gemacht haben, hick!

 Fritz: Bald so, hick, wie wir früher, hick!

 Der Vereinswirt lächelt diskret. Er erinnert sich, daß beide, Fritz und Willi, vor
 einigen Jahren ein einziges Mal in der Reserve hatten mitspielen dürfen. Die
 Zuschauer hatten sich die Haare gerauft, wenn sie am Ball waren. “ Diese Nieten
 stellen wir niemals wieder auf!“ hatte der Spielausschuß damals beschlossen.

 Aber man höre sonntags diesen „Kanonen am Rande“ nur zu, was sie oder Karl,
 Anton, Bernhard, manchmal sogar Anneliese, sagen.

 (Aus: Steinfurter Nachrichten, 1975)